Eine der schwierigsten Situationen im Führungsalltag beginnt meist mit einem Telefonklingeln.
Vielleicht so: Ein Angehöriger meldet sich. Er möchte darüber informieren, dass seine Schwester, Ihre Mitarbeiterin, gestern verstorben sei.
Was würden Sie nach diesem Telefonat tun?
Der hier beschriebene Moment kommt so selten vor, dass man sich fragen könnte, ob die Reflexion hier lohnt. Realistischerweise haben auch die, die diese Situation erleben, keinen Kopf hier im Journal nachzuschlagen …
In Gesprächen mit Führungspersönlichkeiten höre ich öfter die Sorge, ob man in diesem Ausnahmemoment wohl richtig reagieren würde. Lassen Sie uns diesen Fall mal in Ruhe durchdenken. Zur Selbstvergewisserung.
Einen klassischen Denkfehler vermeiden
Zunächst: Wer empfängt den Anruf? Ehe- und Lebenspartner kennen die Ansprechpartner im Unternehmen. Sie rufen entweder den direkten Vorgesetzten an oder, wenn dieses zu schwer erscheint, z.B. eine befreundete Kollegin. Andere Angehörige, so z.B. eine Schwester der verstorbenen Person, ruft meist in Unkenntnis der Zuständigkeiten im Sekreteriat an. Das heißt für Sie als Führungskraft, dass Sie vom Tod Ihres Mitarbeiters eher aus Ihrem Backoffice oder von einer Mitarbeiterin erfahren werden.
Wie geht diese Situation weiter?
Als erstes müssen Sie entscheiden, ob Sie durch ein weiteres Telefonat die Richtigkeit der Nachricht prüfen möchten oder ihr Glauben schenken können.
Danach erhöht Ihr Kopf vermutlich seine Arbeitsgeschwindigkeit.
Sie werden ggf. sofort über eine Vertretungsregelung, die Kondolation und über die Auswirkungen für Ihre Abteilung nachdenken. Nachvollziehbar: Sie sind verantwortlich für den reibungslosen Geschäftsablauf und dieser wird gerade erheblich gestört. Doch hier begehen viele Führungspersönlichkeiten, denen die Erfahrung im Umgang mit Abschied, Tod und Trauer fehlt, einen klassischen Denkfehler:
Die Störung liegt nicht – wie vielleicht vermutet – darin, dass Ihr Mitarbeiter unterwartet ausfällt. Die maßgebliche Störung liegt zunächst darin, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von der Todesnachricht aus ihrem Arbeitsalltag gerissen werden.
Anerkennen, dass jetzt kein Alltag mehr möglich ist
Eine unerwartete Todesnachricht ist i.d.R. für alle ein Schock.
Zwei typische Reaktionen können Sie nach Verbreitung der Nachricht beobachten: die einen werden wie gelähmt sein, die anderen werden von einem Aktionismus getrieben. Aktionismus klingt vielleicht etwas abstrakt für das, was jetzt typischerweise kommt: Wer raucht, geht jetzt eine rauchen. Wer nicht mehr raucht, womöglich auch. Viele stehen in Grüppchen zusammen und reden. Reden viel. Kochen Kaffee.
Die Gelähmten hingegen sind die Stillen, die die fast stur weiterarbeiten und doch wirken, als stünden sie neben sich.
Die meisten Menschen fühlen sich nach so einer Nachricht in einer Grenzsituation. Der Tod ist schwer vorstellbar, es braucht viel Kraft zu realisieren, dass der Kollege nie wieder kommt. Das dauert Tage, manchmal Wochen. Außerdem konfrontiert uns der Tod immer mit unserer eigenen Streblichkeit. Die Sicherheit des Alltäglichen löst sich unerwartet und schmerzhaft auf.
Dieses ist das Ende des funktionierenden Alltags.
Die Konzentrationsfähigkeit sinkt rapide. Jetzt kann nur noch das nötigste erledig werden.
Der Trauer Raum geben
Als Führungspersönlichkeit gestalten Sie diese Situation bestmöglich, wenn Sie sie im ersten Moment einfach anerkennen. Wenn Sie signalisieren: „Ich sehe, dass Sie von dem Trauerfall absorbiert sind und nicht recht arbeiten können. Das ist okay.“
Wie Sie das am besten zeigen?
Ich rate zu einem ganz einfachen Ritual: Stellen Sie eine Kerze auf.
Die Kerze ist ein über alle Kulturen, Glaubensrichtungen und Altersgruppen bekanntes Symbol für Trauer. Überall auf der Welt zünden Menschen Kerzen an, um ihrer Verstorbenen zu gedenken.
Wichtig ist, dass Sie die Kerze nicht erst morgen mitbringen, sondern dass sofort jemand geht, um sie zu besorgen.
Eine dicke, weiße Kerze.
Dieser Einkauf wird ein erster Schritt sein, um zu begreifen, was passiert ist.
Wenn Sie eine Kerze aufstellen, zeigt es allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich, dass das Gedenken an den Verstorbenen und die Trauer ihren Raum haben. Mit einer Kerze aktivieren Sie das Gefühl von Zusammengehörigkeit in dieser besonderen Situation. Jeder, der von außen zu Ihnen kommt, sieht sofort, dass etwas passiert ist. So aktivieren Sie auch die Intelligenz im Team, die Situation gemeinsam zu meistern. Vertretungsregelungen, das Kondolieren, einen Gedenkort schaffen etc. – all das werden Sie dann im Team klären können.
Das klingt jetzt gar nicht so kompliziert, oder? Ist es auch wirklich nicht. Aber es tut gut, sich dessen in ruhigen Zeiten zu vergewissern. Dies ist ein guter Schutz vor unliebsamen Verhaltenslöchern.